Veröffentlicht

Kapp-Lüttwitz-Putsch in Stormarn

Der rechtsnationale Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920 richtete sich sowohl gegen die demokratisch gewählte Reichsregierung in Berlin als auch gegen die Weimarer Republik. Er traf in Stormarn auf organisierten Widerstand.

Ursachen und Vorgeschichte

Der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1919 abgeschlossene Versailler Vertrag legte eine starke Reduzierung des deutschen Militärs fest, die auch die bewaffneten Freikorps betraf. Die in diesem Zusammenhang am 29.02.1920 erfolgte Auflösung der Brigade Ehrhardt, eines 1919 aus ehemaligen Angehörigen der kaiserlichen Marine unter Hermann Ehrhardt gebildeten Freikorps, wurde zum Anlass des Kapp-Lüttwitz-Putsches. Die Brigade Ehrhardt wie auch andere Freikorps sowie weite Teile der Reichswehr und Marine galten als antidemokratische Gegner der Weimarer Republik und der Berliner Regierung unter Reichskanzler Gustav Bauer.

Verlauf und Akteure

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch begann mit der Aufforderung des Oberbefehlshabers der Vorläufigen Reichswehr, Walther von Lüttwitz, an Reichspräsident Friedrich Ebert, die Auflösung der Brigade Ehrhardt zurückzunehmen, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Ebert gab diesem Ultimatum nicht statt. Lüttwitz, der mit Unterstützung Erich Ludendorffs und anderer deutschnationaler Politiker agierte, wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Daraufhin rückte in der Nacht des 12./13.03.1920 die Brigade Ehrhardt in Berlin ein. Die Reichsregierung floh über Dresden nach Stuttgart. Der deutschnationale Politiker Wolfgang Kapp bezog das Reichskanzleramt als selbsternannter Leiter einer „Regierung der Tat“.

In Stormarn unterstützten einige Gutsbesitzer im nördlichen Kreisteil sowie rechtsgerichtete Einwohnerwehren, u. a. in Alt-Rahlstedt, den Putsch. Auf Kreisebene widersetzten sich Landrat Friedrich Knutzen und der SPD-Reichstagsabgeordnete Louis Biester den Republikgegnern. Am 13.03. versicherte sich Biester Knutzens Loyalität zur demokratisch gewählten Reichsregierung. Gleichwohl hatten beide unterschiedliche Ansichten, wie dem Putsch zu begegnen sei. Am 15.03. forderte Biester den Landrat auf, eine weitreichende Resolution zu unterzeichnen. Damit sollten alle Kreisausschussmitglieder, Amtsvorsteher und Gemeindevorsteher sowie deren Stellvertreter ihrer Ämter enthoben werden, die nicht der SPD, USPD oder DDP angehörten. Knutzen lehnte dies ab und wies die pauschale Verurteilung bürgerlicher Politiker bzw. Amtsinhaber zurück. Immerhin ordnete Knutzen die ihm unterstehende Verwaltung an, Anweisungen der Putschisten zu ignorieren.

Konkurrierend zum Landrat initiierte Biester, der in Stormarn zur zentralen Persönlichkeit bei der Verteidigung der Republik wurde, einen Ausschuss zur Abwehr der Putschisten. Dieser umfasste 1.500 Sozialdemokraten und zugleich fast alle Amtsvorsteher im südlichen Stormarn, dessen Kommunen ebenso sozialdemokratisch orientiert waren wie die dortigen Einwohnerwehren. Mit diesem vier Tage am Kreistag vorbei agierenden Ausschuss gelang es, den Kreis nicht zum aktiven Schauplatz des Putsches werden zu lassen. In der Landgemeinde Schiffbek streikten und demonstrierten Arbeiterinnen der Jute-Spinnerei, im Norden des Kreises Landarbeiter gegen die Putschisten.

Zu einem Schwerpunkt der Gegenwehr wurde Bad Oldesloe. Hier verhandelte eine sozialdemokratische Delegation am 14.03. mit Bürgermeister Herbert Müller über Gegenmaßnahmen. SPD und USDP gründeten einen lokalen Aktionsausschuss und beschlossen einen eintägigen Sympathiestreik zugunsten der demokratischen Reichsregierung. Schließlich wurde in Bad Oldesloe nach Verhandlungen zwischen sozialdemokratischen und bürgerlichen Parteien ein anti-putschistischer, paritätisch besetzter Bürgerrat gebildet.

Auf Reichsebene führte der am 13.03. von freien Gewerkschaften und Sozialdemokraten ausgerufene Generalstreik in Verbindung mit einer Passivität weiter Teile der Verwaltung letztlich zur erfolgreichen Verteidigung der Republik. Am 18.03. zog die Brigade Ehrhardt aus Berlin ab, nachdem Wolfgang Kapp am Vortag nach Schweden geflohen war.

Folgewirkungen und heutige Bedeutung

Der reichsweite Generalstreik hielt noch bis zum 22.03. an und zog in Berlin eine Regierungsumbildung nach sich. Nachfolger des am 26.03. als Reichskanzler zurückgetretenen Bauer wurde am Folgetag der Sozialdemokrat Hermann Müller.

In Stormarn beantragte die SPD-Fraktion am 20.03. eine Sondersitzung des Kreistages zur Klärung von Knutzens Verhalten während des Putsches. Diese fand zehn Tage später statt und endete mit zwei politisch unterschiedlichen Resolutionen. Die SPD forderte eine scharfe Verurteilung Knutzens, weil er sich ihrer Ansicht nach öffentlich nicht klar genug für die demokratische Reichsregierung eingesetzt habe. Die bürgerlichen Parteien hingegen sprachen Knutzen ihr Vertrauen aus.

Der Bad Oldesloer Bürgerrat etablierte in der Folge eine städtische Bürgerwehr, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen. Obwohl in Preußen am 10.04.1920 ein Verbot der Einwohner- und Bürgerwehren erging, blieb die Oldesloer Wehr bis zu ihrer Auflösung am 26.06.1921 geduldet.

1925 erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg eine Generalamnestie für die inzwischen verurteilten Putschisten.

Heute gilt der Kapp-Lüttwitz-Putsch als Versuch konterrevolutionärer Kräfte, insbesondere aus dem Militär und deutschnationalen Kreisen, die Errungenschaften der Novemberrevolution 1918 und insbesondere die Ausrufung der Republik rückgängig zu machen. Schlechte Vorbereitung und Konflikte unter den Putschisten, v. a. aber der Generalstreik als bis dahin größter Streik in der deutschen Geschichte sorgten für eine erfolgreiche Verteidigung der am Rand eines Bürgerkriegs stehenden Republik.

Besonderheiten

In Bargteheide wurde während des Putsches von der KPD die Sowjetrepublik ausgerufen.

Persönlichkeiten

Hermann Ehrhardt GND: 118819860
Wolfgang Kapp GND: 118891502
Walther von Lüttwitz GND: 118891499
Erich Ludendorff GND: 118574841
Friedrich Knutzen GND: 116262710
Louis Biester GND: 129918482
Herbert Müller
Hermann Müller GND: 118584979

Beginn

13.03.1920

Ende

18.03.1920

Orte

Bad Oldesloe, Bargteheide, Alt-Rahlstedt, Schiffbek

Strukturansicht

Literatur

  • Perrey, Hans-Jürgen : Stormarns preußische Jahre, die Geschichte des Kreises von 1867 bis 1946/47. Neumünster, Wachholtz 1993, GVK: 152680373
  • Zander, Sylvina : Bad Oldesloe in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus (1918–1945). Kiel, Wachholtz 2021, GVK: 1743061994
  • Biester, Louis : Erinnerungen an den Kapp-Putsch 1920 im Kreis Stormarn 1923. 1984, In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn ..., Großhansdorf: ProFunda-Verl., 1983, 2(1984), Seite 66–79, GVK: 1004757697

Weitere Literatur