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Herrenhaus Wandsbek (1772-1861)

Das Herrenhaus war der erste frühklassizistische Bau dieser Art in Schleswig-Holstein.

Außenarchitektur

Das zweigeschossige Herrenhaus war ein aus drei Flügeln bestehender Bau mit nach Westen offenem Innenhof. Über einen Straßenstern und ein Boskett führte die Zufahrt zum Nordflügel. Die elfachsige Nordfassade besaß einen fünfachsigen Mittelrisalit, eine Freitreppe sowie Dekorelemente aus Werkstein. Vier Vasen sowie eine Sandsteinskulptur mit dem Wappen der Familie Schimmelmann krönten die Attika des Mansarddachs.

In die hofseitige Hauptfassade war der erhaltene Turm des Vorgängerbaus integriert. Er betonte die Mittelachse aller drei Fassaden.

Der Südflügel besaß einen zweifach gestuften Mittelrisalit und aufgrund des Höhenunterschieds zum Park ein hohes Sockelgeschoss. An den Balkon wurde später eine Freitreppe angefügt.

Die Ost-, Süd- und Westseite war von einem hufeisenförmiger Graben umgeben. Das Herrenhaus war auf allen Seiten vom Gutspark umgeben, der sich im Süden bis zum Wirtschaftshof erstreckte.

Innenarchitektur

Das Herrenhaus verfügte über ca. 40 Räume. Die Wohn- und Repräsentationszwecken dienenden Zimmer waren in frühklassizistischen Formen gestaltet. Sie besaßen Stuckarbeiten, Wandmalereien, Vergoldungen und Vertäfelungen sowie teils Tapeten aus Leder, Seide und Leinen mit chinesischen Motiven.

Der von Georg Erdmann Rosenberg entworfene, in Weiß und Gold gehaltene Festsaal lag in der Mitte des Ostflügels. Er wurde durch drei hohe Rundbogenfenster sowie 20 Säulen mit vergoldeten Kapitellen gegliedert und besaß eine kassettierte Stuckdecke, über den Haupttüren befanden sich goldgerahmte Medaillons.

Das von Carl Gottlob Horn entworfene Tafelzimmer lag im Südflügel, die Wand überzog ein Netz aus schmalen Feldern mit Stuckarbeiten von Peter Sacco. Weitere Räume gestalteten Anton Tischbein und Lorens Lönberg.

Im Turm befand sich eine von Dominique Rachette entworfene Büste des dänischen Astronomen Tycho Brahe, der hier 1597/98 eine Sternwarte eingerichtet hatte.

Materialien

Die verputzten Fassaden des aus Ziegelsteinen ausgeführten Baus zierten Werksteinelemente aus Sandstein wie Giebel, Medaillons sowie Tür- und Fensterrahmungen.

Geschichte

Nach dem Erwerb des Adligen Guts Wandsbek durch Heinrich Carl von Schimmelmann 1762 beauftragte dieser 1765 seinen Hausarchitekten Carl Gottlob Horn mit der Planung für ein Herrenhaus. Nach dem Abriss des Vorgängerbaus unter Erhaltung des Turms ließ er ab 1772 teils auf alten Fundamenten erneut einen Dreiflügelbau errichten. 1774-1778 waren italienische, französische, deutsche und skandinavische Künstler und Handwerker an der Innenraumgestaltung beteiligt.

Nach der Teilung des Guts Wandsbek 1807 in einen königlichen und einen gräflichen bzw. privaten Anteil stand das Herrenhaus oft leer und verfiel zunehmend. Während der Besetzung Hamburgs durch französische Truppen nutzte Marschall Louis-Nicolas Davout es 1811/12 als Residenz und Kommandantur. Karl X. Philipp von Bourbon prüfte das Herrenhaus nach seiner Abdankung in Paris 1830 als mögliches Exil. Um 1850 wurde es in den Schleswig-Holsteinischen Befreiungskriegen als Lazarett genutzt.

Nach dem Erwerb des gräflichen Anteils des Gutes 1857 durch Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde und Johann Koopmann betrieb ein Pächter im Herrenhaus ein Hotel Garni und Gasthaus. 1861 ließ Carstenn-Lichterfelde es abreißen und das ehemalige Gutsgelände parzellieren, um die Villenkolonie Marienthal zu errichten.

Bedeutung

Das Herrenhaus Wandsbek war der einzige Neubau, den Schimmelmann in Auftrag gab. Es gilt aufgrund seiner Außenarchitektur und auch seinen Innenraumgestaltungen als erster frühklassizistischer Herrenhausbau in Nordwestdeutschland.

Erhaltungszustand

Durch den Abriss des Baus haben sich nur Fragmente erhalten. Ein Teil der 1776 von Dominique Rachette geschaffenen, über dem Eingang befindlichen Attika mit zwei allegorischen Figuren, die das Schimmelmannsche Wappen rahmen, befindet sich im Eingang zum Standesamt Wandsbek.

Ein 2007 entdeckter unterirdischer Überrest der Nordostecke des Baus mit angesetzter Schlosshofmauer samt Fundamenten wurde 2009 in die Liste der Bodendenkmäler aufgenommen. Ein geborgener Mauerblock von der Umfassungsmauer ist im Schlossgarten 9 in Hamburg ausgestellt die die Zufahrt rahmten.

Besonderheiten

Im Heimatmuseum Wandsbek befindet sich ein Modell des Herrenhauses. Am Treppenabgang des U-Bahnhofs Wandsbek Markt zeigt ein Keramikbild die Südseite des Herrenhauses.

Im Museum Schloss Ahrensburg befindet sich im Treppenhaus eine aus dem Herrenhaus Wandsbek stammende Supraporte.

Grundrisse sowie Entwürfe der Fassaden, Innenräume und Wanddekorationen sowie Fotografien werden im Staatsarchiv Hamburg aufbewahrt.

Persönlichkeiten

Carl Gottlob Horn GND: 137634021
Heinrich Carl von Schimmelmann GND: 118917323
Antoine Dominique Jacques Rachette
Georg Erdmann Rosenberg
Louis-Nicolas Davout GND: 116041749
Peter Sacco
Anton Tischbein
Lorens Lönberg
Karl X. Philipp von Bourbon GND: 118776770
Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde GND: 119515504
Johann Koopmann

Datierung Schutzstellung

Attika: 12.01.1956; Löwenskulpturen: 12.03.1943

Begründung Schutzstellung

Die Löwenskulpturen sowie der Überrest der Attika sind aus historischen und künstlerischen Gründen erhaltenswert.

Links

Website mit historischem Rundgang rund um den Wandsbeker Markt, u. a. zu den Überresten des Schlosses und seinem ehemaligen Standort: www.muehlenbek-verlag.de/Rundgang/Rundgang_Start.htm (Zugriff am 06.02.2021)

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Herrenhaus Wandsbek (1772-1861) business 53.5703500000 10.0697480000

Ort

Das Herrenhaus lag quer über der heutigen Straße Schlossgarten Nr. 15-17 sowie gegenüber Nr. 16-20.

GPS-Standort

53° 34' 13'' N, 10° 4' 11'' O

Auftraggeber

Heinrich Carl von Schimmelmann

Planer/Architekt

Carl Gottlob Horn

Errichtungsdatum

1772-1778

Abrissdatum

1861

Strukturansicht

Literatur

  • Knorr, Martin : Das Wandsbeker Schloss. Interessantes und Unbekanntes von unserem Schloss, in: Der Wandsbeker. Zeitschrift des Bürgervereins von 1848 e.V., Heft 2/1971, II und S. 1-8 und Heft 3/1971, II und S. 1-6. Hamburg, Hanseatisches Werbekontor , GVK: 728522241
  • Deuter, Jörg 1956- : Die Genesis des Klassizismus in Nordwestdeutschland der dänische Einfluß auf die Entwicklung des Klassizismus in den deutschen Landesteilen Schleswig-Holstein und Oldenburg in den Jahren 1760 bis 1790. Oldenburg, Isensee Verl. 1997, GVK: 231929927
  • Pommerening, Michael 1950- : Das Wandsbeker Schloss Rantzau, Brahe und die Familie Schimmelmann. Hamburg, Mühlenbek-Verl. 2004, GVK: 47684214X
  • Hirschfeld, Peter : Die "Schatzmeister-Rechnungen" des Ahrensburger Schloßarchivs als kulturgeschichtliche Quelle. 1939, In: Nordelbingen, Heide, Holstein: Boyens, 1923, 15(1939), Seite 372-424, GVK: 627235654

Weitere Literatur