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Herrenhaus Wandsbek (1568-1772)

Das ab 1568 unter Heinrich Rantzau als Wasserburg errichtete Herrenhaus war die erste Dreiflügelanlage im Stil der Renaissance in Holstein.

Außenarchitektur

Das Herrenhaus war ein aus drei Flügeln bestehender zweigeschossiger Bau. Eine mit Zinnen versehene Mauer schloss den Innenhof nach Westen ab. In den östlichen Hauptflügel war hofseitig ein Treppenturm mit Fachwerkaufsatz und später verändertem Kegeldach eingelassen. Die östliche Außenfassade besaß einen mittigen Treppengiebel, beidseitig schlossen sich Anbauten mit Pultdächern an. Das Eingangsportal befand sich links vom Turm. Beidseitig saßen Treppengiebel mit Wetterfahnen, ebenso an den Schmalseiten der Seitenflügel.

Der Zustand der nördlichen Außenfassade mit ihrer Durchfahrt in den Hof ist erst nach den 1645-1648 durchgeführten Umbauten bekannt. Auf dem Volutengiebel befand sich eine stehende Figur.

Das Herrenhaus war von einem Wassergraben umgeben, über den im Norden eine Zugbrücke führte. Nördlich lagen jenseits des Hausgrabens Wirtschaftshof und Garten.

Innenarchitektur

Die im Turm liegende Wendeltreppe erschloss das Haus vom Keller bis ins Dachgeschoss. Der Eingang führte in die Diele mit dem zwischen den Fenstern liegenden Kamin. Seitlich lagen die Privaträume, wegen unterschiedlicher Raumhöhen zum Kernbau waren sie durch Wandtreppen verbunden. Im Südflügel befanden sich die Küche, Vorratsräume und wohl auch Gästezimmer.

Neben dem Torweg im Erdgeschoss des Nordflügels lagen Wachräume, Pächterzimmer und die Hofstube, in der bis 1623 auch Gottesdienste für die Dorfbewohner abgehalten wurden. Das Obergeschoss beherbergte einen großen Saal. Im Dachgeschoss mit seiner Räucherkammer lagen um 1745 Zimmer für Bedienstete. Nur der Ostflügel war unterkellert.

Zur wandfesten Ausstattung ist erst ab 1730 etwas bekannt. Manche Räume besaßen damals Goldledertapeten und verfügten über Stuckdecken.

Materialien

Der Sockel bestand wahrscheinlich aus Findlingen. Der Bau wurde aus Ziegelmauerwerk ausgeführt und 1743-1745 auf der Hofseite verputzt. Sandsteindekor zierte die Fenstergiebel, das Portal und teils auch die Kanten des Baus. Das Dach war wohl mit roten Tonpfannen gedeckt.

Straßennamen erinnern an den Auftraggeber des Herrenhauses, Heinrich Rantzau, sowie den Nachfolgebau, das sogenannte Wandsbeker Schloss, 2003

Geschichte

Heinrich Rantzau, der 1564 das Adlige Gut Wandsbek erworben hatte, beauftragte ab 1568 die Errichtung des Herrenhauses, der Wandesburg. Er übernahm dabei einen ca. 45 Jahre alten Bau mit Treppenturm und fügte diesem im Norden und Süden zwei Seitenflügel an. Rantzau nutzte das Herrenhaus v. a. als Station auf Reisen oder bei Geschäftsbesuchen in Hamburg. Nach seinem Tod war es bis 1603 Witwensitz seiner Ehefrau Christine von Halle.

Nach mehrmaligen Besitzer- und Pächterwechseln war das Haus in den 1630er-Jahren in schlechtem Zustand. Der Hamburger Kaufmann Albert Baltser Berns ließ es 1645-1648 umbauen und nutzte es mit seiner Familie als ständigen Wohnsitz. Der Treppenturm wurde erweitert, erhielt eine Uhr und ein Glockendach mit Laterne. Der Eingangsflügel im Norden wurde renoviert und die Fassade umgestaltet. Wahrscheinlich ließ Berns die westliche Hofmauer aufstocken und möglicherweise die hofseitigen Giebel des Mittelflügels beseitigen. Nach weiteren Besitzerwechseln war der Bau nach 1700 erneut in vernachlässigtem Zustand. 1713 bezog Peter I. Romanow für kurze Zeit das Haus als Hauptquartier im Großen Nordischen Krieg.

1739 erwarb Christian VI. von Dänemark das Gut und ließ das Herrenhaus 1743-1745 für seinen Schwager Friedrich Ernst zu Brandenburg-Kulmbach durch den Altonaer Stadtbaumeister Andreas Deters grundlegend instand setzen.

1762 erwarb Heinrich Carl von Schimmelmann das Gut. Nach dem Abriss des Herrenhauses ab ca. 1768 beauftragte er Carl Gottlob Horn 1772-1778 mit dem Bau eines neues Herrenhaus in frühklassizistischem Stil auf den alten Fundamenten und unter Beibehaltung des Treppenturms.

Bedeutung

Das Herrenhaus war der erste Neubau einer Dreiflügelanlage in Holstein. Mit seinem spiegelsymmetrischen Bau, der reichen Durchfensterung und der Raumerschließung mittels Korridoren trug er deutliche Elemente der sich ausbreitenden Renaissance.

Erhaltungszustand

Von der Wandesburg hat sich durch den Neubau des Schimmelmannschen Herrenhauses und dessen Abriss nichts erhalten. Ein 2007 bei Ausgrabungen entdeckter unterirdischer Baurest der Nordostecke des späteren Baus und eventuell der ursprünglichen Fundamente sowie eines Wassergrabens wurden 2009 in die Liste der Bodendenkmäler aufgenommen.

Besonderheiten

1597/98 richtete sich der dänische Astronom Tycho Brahe im Turm der Wandesburg ein Observatorium ein und ließ sein Werk "Astronomiae instauratae mechanica" als erstes in Wandsbek veröffentlichtes Buch drucken.

Ein Gedicht von Matthias Claudius behandelte 1774 den Aufenthalt Brahes auf der Wandesburg.

Von der Wandesburg haben sich verschiedene Ansichten und Grundrisse erhalten: Darunter befinden sich die Rantzautafel von 1590, außerdem von 1743 und 1745 Grundrisse aller Geschosse sowie Ansichten der Nord-, Ost- und Westfassaden.

Persönlichkeiten

Heinrich Rantzau GND: 11898716X
Tycho Brahe GND: 118514237
Albert Baltser Berns GND: 1024825612
Peter I. Romanow GND: 118592955
Heinrich Carl (von) Schimmelmann GND: 118917323
Sophie Magdalene von Dänemark GND: 118974351

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Herrenhaus Wandsbek (1568-1772) business 53.5703500000 10.0697480000

Ort

Das Herrenhaus lag quer über die heutige Straße Schlossgarten Nr. 15-17 sowie gegenüber Nr. 16-20.

GPS-Standort

53° 34' 13'' N, 10° 4' 11'' O

Auftraggeber

Heinrich Rantzau

Planer/Architekt

unbekannt

Errichtungsdatum

1568-1572

Abrissdatum

ca. 1768-1772

Strukturansicht

Literatur

  • Ceynowa, Tatjana 1968- : Das Wandsbeker Herrenhaus des Heinrich Rantzau zur Geschichte eines Adligen Gutes in Holstein. Kiel, Ludwig 2004, GVK: 377393738
  • Pommerening, Michael 1950- : Das Wandsbeker Schloss Rantzau, Brahe und die Familie Schimmelmann. Hamburg, Mühlenbek-Verl. 2004, GVK: 47684214X
  • Eickhoff, Paul 1850-1931 : Geschichte Wandsbecks unter Heinrich und Breido Rantzau 1564 bis 1614. Wandsbeck, Puvogel 1905, GVK: 252620348

Weitere Literatur