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Herrenhaus Grabau

Das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Herrenhaus vereint in seiner eklektischen Architektur Elemente englischer Landhäuser mit denen einer Jugendstil-Villa.

Ansicht von Südosten, 1965

Außenarchitektur

Das zweigeschossige Herrenhaus auf hohem Keller verfügt über einen asymmetrischen Grundriss und setzt sich aus mehreren Baukörpern zusammen. Der Hauptbau besitzt ein Satteldach mit Gauben sowie vorgezogene Erdgeschossräume samt Dachterrassen. Nach Westen schließt ein niedriger, ebenfalls zweigeschossiger Wirtschaftsflügel an.

Im Winkel zum Südflügel steht eingezogen ein quadratischer, mehrgeschossiger Turm mit achteckiger offener Laterne und geschweifter Dachhaube. Der im Süden liegende Haupteingang mit seinem Rundbogen ist von kräftigen Pilastern gerahmt.

An der Südostecke sitzt ein zweigeschossiger Turm mit Söller und Zinnen, vor der Ostfassade ein Erker mit geschweifter Haube. An der Nordseite befindet sich eine Rundbogenloggia mit Dachterrasse.

Die hohen Giebel weisen Reliefs mit figürlichen und pflanzlichen Motiven auf.

Innenarchitektur

Um die im Zentrum des Hauses liegende zweigeschossige Halle mit Galerie sind im Erdgeschoss die ehemaligen Wohn- und Gesellschaftsräume angeordnet. Sie besitzen aufwändige Vertäfelungen und Stuckierungen. Die Eingangshalle ist mit farbigen Jugendstilfenstern und figürlichen Mosaiken ausgestattet. Die drei Räume im Osten sind durch eine Enfilade verbunden.

Materialien

Die Fassaden des Herrenhauses sind aus Muschelkalk errichtet. Die Dächer sind mit Kupfer gedeckt.

Postkarte, 1915

Geschichte

1804 ließ der damalige Besitzer Joachim Christoph Janisch in einfachen klassizistischen Formen ein erstes, bis heute erhaltenes Herrenhaus errichten.

Nach mehreren Besitzerwechseln erwarb der Bremer Kaufmann Gustav Lahusen das Gut Grabau. Er ließ 1906-1908 durch der Berliner Architekten Heinrich Werle auf der ehemaligen Holländerkoppel ein neues, repräsentatives Herrenhaus errichten.

Im Ersten Weltkrieg musste das Dachkupfer für Rüstungszwecke abgeliefert werden, das Herrenhaus erhielt eine Ziegeldeckung. In den 1920er-Jahren wurde das Kupferdach erneuert, nun ohne die ursprünglichen Dachreiter.

1932 kaufte der Oldesloer Unternehmer Friedrich Bölck das Gut Grabau und musste es 1936 wieder an das Deutsche Reich verkaufen. Der Militärfiskus richtete hier ein Remonteamt ein; das Herrenhaus war Sitz der Gestütsverwaltung.

1945 bot das Herrenhaus dem geflüchteten Personal des ostpreußischen Remontegutes Liesken (heute Liski, Polen) Unterkunft. Ab 1947 beherbergte es einige Flüchtlingsfamilien.

Nach Aufsiedlung des Gutes ab 1947 nutzte die Gemeinde Grabau das Herrenhaus für Feiern und Dorffeste. 1951 zog das Institut für niederdeutsche Heimatforschung und Volkstumspflege unter Leitung von Rehder Heinz Carsten in das Herrenhaus ein. Nach Instandsetzungen und Umbauten diente es 1951-1966 als Landjugendheim und wurde für Kurse der Jugendhochschule Grabau sowie über die Hansische Gilde Hamburg für studentische niederdeutsche Tagungen genutzt.

Nach langjährigem Leerstand vermietete 1975 das Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches das Herrenhaus an Michael Kunz aus Hamburg, der es 1985 kaufte. Er baute im Herrenhaus zahlreiche kleine Wohnungen ein und vermietete sie. Nach seinem Unfalltod erwarb in einer Zwangsversteigerung 1998 die Hamburger Familie Al-Talkani das Herrenhaus samt einem Teil des Gutsparks. Deren Plan eines gastronomischen Betriebs und Vermietung für Feierlichkeiten ließ sich nicht realisieren; seitdem steht das Haus weitgehend leer.

Bedeutung

Das Herrenhaus ist in der Kombination von Elementen englischer Landhäuser und von Bürgervillen im Jugendstil sowie von Tudorgotik und Neorenaissance ein seltenes Beispiel in Schleswig-Holstein.

Liedvortrag einer Klasse, 1953

Nutzung

Das Herrenhaus befindet sich in Privatbesitz; es steht weitgehend leer. Gelegentlich wird es für Filmaufnahmen vermietet.

Luftaufnahme, 2020

Erhaltungszustand

Das Herrenhaus befindet sich in renovierungsbedürftigem Zustand.

Besonderheiten

Der Muschelkalk für die Fassaden wurde in Form von fertig behauenen und durchnummerierten Blöcken aus Süddeutschland per Eisenbahn angeliefert und in Grabau zusammengefügt.

Von Werle stammt auch die 1923 im Gutspark aus Muschelkalk erbaute Kapelle, die Lahusen anlässlich seiner im Kindbett mit ihrem Sohn verstorbenen Tochter Daisy errichten ließ. Seit 1947 nutzt die Evangelische Kirchengemeinde Sülfeld die Kapelle für Gottesdienste.

Das Herrenhaus diente mehrfach als Drehort und Kulisse verschiedener Horror-, Kriminal- und Spielfilme.

Persönlichkeiten

Gustav Lahusen GND: 136240445
Heinrich Werle
Joachim Christoph Janisch
Friedrich Bölck GND: 1154584674
Rehder Heinz Carsten GND: 127893520

Datierung Schutzstellung

17.07.1978

Begründung Schutzstellung

Das Herrenhaus ist samt Gutspark als bauliche Anlage aus künstlerischen, geschichtlichen und die Kulturlandschaft prägende Gründen erhaltenswert.

Links

Wikipedia-Artikel zum Herrenhaus Grabau: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Herrenhaus_Grabau&oldid=180988153 (Zugriff am 11.09.2020)

PDF-Dokument zur Geschichte des Herrenhauses: www.grabau-stormarn.de/grabau/material/schloss.pdf (Zugriff am 11.09.2020)

14 400
Herrenhaus Grabau business 53.8055920000 10.2701850000

Ort

Rosenstrasse 12

23845 Grabau

GPS-Standort

53° 48' 20'' N, 10° 16' 12'' O

Fläche o. Länge o. Außenmaß

45 x 33 m

Auftraggeber

Gustav Lahusen

Planer/Architekt

Heinrich Werle

Errichtungsdatum

1906-1908

Strukturansicht

Literatur

  • Mascher, Erdmute Beate : Schloss Grabau (1906/08) ein schleswig-holsteinisches Herrenhaus des frühen 20. Jahrhunderts. GVK: 037362283
  • Neuschäffer, Hubertus : Schlösser und Herrenhäuser in Südholstein e. Handbuch. Würzburg, Weidlich , GVK: 040136426
  • Moßner, Eckhard : Blick in die Vergangenheit Beiträge zur Dorfchronik Grabau. Grabau, Gemeinde Grabau 1994, GVK: 043600816
  • Lafrenz, Deert : Gutshöfe und Herrenhäuser in Schleswig-Holstein. Petersberg, Imhof 2015, GVK: 776670891

Weitere Literatur