Geschichte
Die vom Zweiten Weltkrieg verursachten Flüchtlingsbewegungen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten hatten - neben den Hamburger Bombenflüchtlingen (sogenannte Butenhamborger) - für Stormarns Entwicklung nach 1945 besonders gravierende Folgen. Rund ein Jahr nach Ende des Krieges gab es im Kreis im Frühjahr 1946 rund 80.000 Flüchtlinge. Noch Anfang der 1950er-Jahre lag der Anteil der Flüchtlinge, Vertriebenen und Zugewanderten an der Gesamtbevölkerung in Stormarn bei 50-55 Prozent. Damit wurde der vor dem Zweiten Weltkrieg durch das Groß-Hamburg-Gesetz entstandene Bevölkerungsverlust wieder ausgeglichen.
Der Flüchtlingszustrom verschärfte die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Probleme im Stormarn der Nachkriegszeit erheblich. Stärker noch als die Einheimischen waren die Flüchtlinge und Vertriebenen von Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Lebensmittelknappheit wie auch allgemeiner Armut betroffen. Die Wohnraumversorgung wurde zu einem der dringlichsten sozialen Probleme. Viele Flüchtlinge und Vertriebene kamen zunächst nur provisorisch durch Zwangseinweisungen und staatliche Wohnraumbewirtschaftung unter: in Privathäusern und -wohnungen oder in eigens errichteten Baracken. 1950 lebten über zehn Prozent der gesamten Kreisbevölkerung in Notwohnungen, bevor der bald forcierte Siedlungsneubau den Flüchtlingen und Vertriebenen schrittweise eine dauerhafte Unterkunft bot.
Gleichwohl wohnten im Oktober 1955 noch immer fast 6.000 Menschen in 1760 Notunterkünften. Trotz staatlich gelenkter Umsiedlungsprogramme zwischen den Bundesländern blieben viele der Flüchtlinge und Vertriebene dauerhaft in Stormarn − noch 1958 verzeichneten beispielsweise Großensee, Lütjensee und Trittau einen Bevölkerungszuwachs von über 100 Prozent im Vergleich zum letzten Vorkriegsstand (1939).
1952 wurden in Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern hauptamtliche Flüchtlingsbeauftrage angestellt. Zu ihren Aufgaben gehörten nicht nur die allgemeine Flüchtlingsbetreuung, sondern auch konkrete Arbeiten wie die Hilfestellung bei Anträgen auf Umsiedelung (Wohnraum, allgemeiner Existenzaufbau, Transportkostenbeihilfen).
Gesellschaftlich integrierend wirkten In den 1950er-Jahren für die zumeist aus ländlichen Milieus stammenden Flüchtlinge die saisonale Nachfrage nach landwirtschaftlich geschulten Arbeitskräften einerseits, das aufblühende Vereinsleben (vor allem Sportvereine) andererseits. Aber erst der in den späten 1950-er Jahren einsetzende Strukturwandel, der innerhalb kurzer Zeit aus dem zuvor weitgehend agrarischen Stormarn eine gewerblich-industrielle Wachstumsregion machte, sorgte für eine langfristige Lösung der wirtschaftlichen Probleme und damit für eine endgültige Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen.