Verlauf und Akteure
Politik, Verwaltung und Kommunale Neuordnung
Mit der am 01.04.1950 in Kraft getretenen neuen schleswig-holsteinischen Kreisordnung trat an die Stelle des ehrenamtlichen nun der hauptamtliche Landrat, der Vorsitzende des Kreistages führte die Bezeichnung Kreispräsident. Am 28.04.1950 wurde Wilhelm Siegel vom Kreistag zum Landrat, Otto Gramcko zum Kreispräsidenten gewählt. Auf Gramcko folgte am 26.05.1951 Erika Keck als Kreispräsidentin, die wiederum am 18.05.1955 von Friedrich Hardt abgelöst wurde. Am 21.02.1956 übernahm Klaus von der Groeben das Amt des Landrats, am 25.06.1957 Wennemar Haarmann. Der am 22.04.1950 gegründete Kreisverband des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) erweiterte die Parteienlandschaft, die zudem aus SPD, CDU, FDP und KPD bestand. In der Kreisstadt Bad Oldesloe wurde am 29.04.1952 der erste Bauabschnitt des Stormarnhauses als Hauptverwaltungsgebäude des Kreises eingeweiht.
Der starke Bevölkerungsanstieg hatte Folgen für die kommunalen Strukturen. Die Stadtwerdung von Ahrensburg 1949 zog in diesem Raum Anfang der 1950er-Jahre eine Neugliederung der Ämter nach sich. Die Gemeinde Ahrensfelde kam 1951 zum Amt Siek, die Gemeinden Bünningstedt und Hoisbüttel bildeten ein neues Amt, die Gemeinde Großhansdorf wurde zum Eigenamt.
Reinbek erhielt 1952 Stadtrecht. Die Gemeinde Bargteheide wurde am 25.08.1956 aus dem gleichnamigen Amt ausgegliedert und damit amtsfrei. Das Restamt erhielt den Namen Bargteheide-Land.
Ende der 1950er-Jahre gewann die Raumplanung für Stormarn infolge der 1955 begründeten gemeinsamen Landesplanungsarbeit Hamburg/Schleswig-Holstein größere Bedeutung. Das zugrunde liegende Achsenkonzept wertete Achsenorte wie Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe auf. Daraufhin richtete Bad Oldesloe als erster Achsenort am 27.02.1959 einen kommunalen Planungsausschuss ein.
Wohnen und Infrastruktur
Die Wohnraumversorgung zählte wegen des rapiden Bevölkerungsanstiegs zu einem der wichtigsten sozialen Probleme des Jahrzehnts. In Stormarn lebte 1950 noch ein knappes Siebtel aller Wohnparteien in provisorischen Unterkünften, u. a. in den in vielen Orten sichtbaren Flüchtlingsbaracken. In der Folge entwickelte sich ein schneller Bau von neuen Wohnsiedlungen. In Bad Oldesloe entstanden ab 1951 jährlich jeweils mehrere hundert neue Wohnungen. Auch in Ahrensburg ergab sich aus der gestiegenen Einwohnerzahl ein rascher, hier das Stadtbild verändernder Wohnungsbau. Während zuvor v. a. Einzelhäuser oder Reihenhaussiedlungen vorhanden waren, traten ab den 1950er-Jahren mehrgeschossige Bauten hinzu.
Der Bevölkerungszustrom erforderte die Erweiterung der sozialen und technischen Infrastruktur. Neue Alten- und Pflegeheime sowie Kindergärten entstanden in vielen Orten. Die Kreisberufsschule in Bad Oldesloe wurde in der ersten Hälfte der Dekade ausgebaut, in Ahrensburg für die Zweigstelle ein Neubau errichtet. In Bad Oldesloe entstanden darüber hinaus Bauten für das Finanzamt Stormarn (1950) und die Landwirtschaftsschule des Kreises Stormarn (1956), am Ende des Jahrzehnts begann die Erweiterung des Kreiskrankenhauses Stormarn.
Auf dem Verkehrssektor blieb zunächst die Unterhaltung und Verbesserung der bestehenden Straßen im Fokus. Zu einer der wichtigsten Maßnahmen wurde der Ausbau der Möllner Landstraße als zentraler Achse des südstormarnschen Raumes. Unter den Straßenneubauten war die am 06.12.1958 auf Stormarner Gebiet eingeweihte Nord-Süd-Straße (später Bundesstraße 404) das bedeutendste Verkehrsprojekt. Der Kraftfahrzeugbestand stieg im Kreis Stormarn stark an: Hatte es 1948 1.948 zugelassene Fahrzeuge gegeben, so waren es 1955 bereits 10.127.
Die Südstormarnsche Kreisbahn, die den namengebenden Raum via Tiefstack mit dem Hamburger Schienennetz verbunden hatte, wurde am 15.03.1952 für den Personenverkehr eingestellt. Die Teilstrecke Glinde–Tiefstack blieb für den Güterverkehr erhalten. Die Trasse des stillgelegten Teils wurde schrittweise zum Radwanderweg ausgebaut.
Wirtschaft und Arbeit
Zunächst blieb der Kreis Stormarn eine noch landwirtschaftlich-kleingewerblich geprägte Region. In der ersten Hälfte der Dekade wiesen nur Ahrensburg mit der BAT-Zigarettenfabrik, Glinde mit Jurid und Reinfeld mit den Opal-Strumpfwerken Großbetriebe auf. Die Auspendlerzahlen waren hoch und wuchsen weiter an, v. a. in den hamburgnahen Kommunen. Zählten 1950 nur zehn Städte und Gemeinden mehr als 1.000 Auspendler, waren es 1956 bereits 17. Die absolute Zahl der Auspendler aus Stormarn nach Hamburg stieg zwischen 1950 und 1956 von 14.315 auf 20.139 und wurde unter den übrigen Hamburg-Randkreisen nur vom Kreis Pinneberg übertroffen.
In den späten 1950er-Jahren setzte jener strukturelle Wandel ein, der aus dem Kreis eine gewerblich-industrielle Wachstumsregion machte. Katalysator war die 1957 erfolgte Gründung der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn mbH (WAS) unter ihrem Geschäftsführer Max Klimmek. Ende der 1950er-Jahre wurden neue Gewerbegebiete u. a. in Harksheide, Reinbek/Glinde/Schönningstedt und Bargteheide erschlossen. Die neu angesiedelten Betriebe kamen im Zuge der Industrie-Suburbanisierung v. a. aus Hamburg. Der einsetzende gewerblich-industrielle Aufschwung führte in der Folgezeit zu einem massiven Ausbau der Arbeitsplätze, zunächst v. a. im Raum Südstormarn sowie in Harksheide.
Die Gewerkschaftsbewegung gewann unter dem seit 1953 amtierenden DGB-Kreisvorsitzenden Hermann Bössow an Dynamik und fand mit den Mai-Kundgebungen in mehreren Orten ihre jährlichen Höhepunkte. In der Kampnagel-Fabrik in Bad Oldesloe kam es 23.08.-29.10.1955 zu einem längeren, überregional beachteten Streik. Dessen Dauer wurde vom ebenfalls Kampnagel berührenden Metallarbeiterstreik in Schleswig-Holstein noch übertroffen (24.10.1956-14.02.1957).
Die Landwirtschaft erlebte in den frühen 1950er-Jahren eine vorübergehende Blütezeit und absorbierte saisonal etliche Arbeitskräfte. 1950 gab es in Stormarn über 3.300 landwirtschaftliche Betriebe, 1956 noch 3.100 – darunter allerdings rund 700 Kleinstbetriebe unter zwei Hektar Nutzfläche. Um 1960 waren nur noch 14 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, ein Drittel weniger als 1950. Im südlichen Kreisteil spielte die Kleinsthofbewegung von Heinrich Jebens eine wichtige Rolle für den ländlichen Nebenerwerb.
Die Tageszeitung Oldesloer Landbote wurde am 02.04.1951 in Stormarner Tageblatt umbenannt. Von den Lübecker Nachrichten erschien ebenfalls ab 1951 eine Stormarner Lokalausgabe.
Gesellschaft, Kultur und Freizeit
Zu den großen gesellschaftlichen Aufgaben der 1950er-Jahre gehörte die Integration der Flüchtlinge, Vertriebenen und Butenhamburger. Dabei spielten zunächst die Integration in den Arbeitsmarkt – hier in den frühen 1950er-Jahren nicht zuletzt in die Landwirtschaft – sowie der eigene Wohnraum eine zentrale Rolle. Insbesondere der häufig mit einem hohen Anteil von Eigenarbeit geleistete und staatlich geförderte Bau von Siedlungshäusern sorgte für gesellschaftliche Eingliederung. Daneben war das Engagement in Sport- und kulturellen Vereinen sowie in politischen Gremien von Bedeutung.
Im Bereich von Kultur und Freizeit wurden Kinos, die in zunehmender Zahl eröffneten, zu einem Kristallisationspunkt. Bad Oldesloe bot unter dem städtischen Musikdirektor August König ein vielfältiges musikalisches Leben, das u. a. das „Naturtheater“ als Freilichtbühne nutzte. Die turnusmäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus ab 1949 – außer 1955 – durchgeführten Reinfelder Karpfenfeste waren ein über die Kreisgrenzen hinausreichendes Ereignis. Kreiskulturwochen fanden 03.–09.09.1950 und 04.–12.10.1958 statt, 1954 wurde in Ahrensburg der Kreiskulturring begründet. Die Volkshochschulen bauten in einzelnen Kommunen ihr Angebot aus. Gleiches galt für die einen großen Zulauf verzeichnenden Sportvereine. Das erste Kreissportfest nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1950 in Bad Oldesloe veranstaltet.
Kulturell gewann Stormarn auch überregional Bedeutung: Der Maler Harald Duwe entlarvte in seinen frühen Werken die Erscheinungsformen und Folgen von Nationalsozialismus, Wiederaufbau und beginnender Wohlstandsgesellschaft. Schloss Ahrensburg wurde zum Schauplatz von Dreharbeiten mit internationalen Filmteams, u. a. mit dem Schauspieler Eddie Constantine.